G7 kommentiert Operation gegen Iran nicht – DW – 19.04.2024

Wirklich überrascht waren die G7-Außenministerinnen und Außenminister nicht von dem mutmaßlichen Schlag Israels gegen militärische Einrichtungen im Iran. “Wir wussten, dass etwas kommen würde, nur nicht wann und wie umfangreich”, sagten dazu G7-Diplomaten auf der süditalienischen Insel Capri, wo die Gruppe drei Tage lang die Weltlage beriet. Der US-amerikanische Außenminister Anthony Blinken war nach Angaben der italienischen G7-Präsidentschaft vor der Operation von israelischen Stellen informiert worden. Das ist zumindest eine indirekte Bestätigung, dass Israel für den nächtlichen Angriff verantwortlich ist. Da sich Israel bislang nicht offiziell zu dem Angriff mit kleineren Drohnen und möglicherweise einer Rakete auf Anlagen in der iranischen Stadt Isfahan geäußert hat, hält sich die Gruppe der sieben wichtigsten westlichen Demokratien in ihren Stellungnahmen zurück.

“USA waren nicht beteiligt”

“Der Iran muss gestoppt werden, ohne weiter zu eskalieren”, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und fasste damit die Stimmung bei den G7-Vertretern ganz kurz zusammen. Beide Seiten müssten deeskalieren, forderte der Gastgeber der G7-Runde, der italienische Außenminister Antonio Tajani. Deeskalation verlangte auch der US-amerikanische Außenminister Blinken. Die nächtlichen Angriffe im Iran wollte er nicht kommentieren. Nur so viel: “Die USA waren an offensiven Operationen gegen den Iran nicht beteiligt.”

David Cameron, Außenminister von Großbritannien, und die deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock im Gespräch
David Cameron, Außenminister von Großbritannien, und die deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock Bild: Kira Hofmann/IMAGO/photothek

Der Iran hatte am letzten Samstag Israel mit 300 Drohnen und Raketen zum ersten Mal direkt angegriffen. Die Angriffe konnten ohne größere Sachschäden abgewehrt werden, aber ein Mädchen wurde im Süden Israels verletzt. Auf diesen ersten direkten Angriff des islamistischen Regimes in Teheran musste Israel offenbar irgendwie antworten. Die G7, und allen voran die USA, hatten das israelische Kriegskabinett gebeten, möglichst zurückhaltend zu agieren, um nicht einen erneuten Schlag des Iran zu provozieren. Auf die Frage, ob sie nun mit einem erneuten Angriff der Iraner rechne, antwortete die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nicht.

Vergeltung aus dem Iran?

In iranischen Staatsmedien werden die Angriffe aus der Nacht auf Isfahan als relativ folgenlos dargestellt. Luftalarm wurde ausgelöst. Die Drohnen sollen abgeschossen worden sein. Der zivile Flugverkehr wurde nach einer Unterbrechung wieder aufgenommen.

In einem Telefongespräch mit dem iranischen Außenminister Hossein Amirabdollahian hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gegen den iranischen Schlag vom Samstag protestiert und versucht zu deeskalieren. “Die Region steht am Abgrund eines Krieges und muss vom Abgrund zurücktreten”, hatte Borrell mehrfach gemahnt. Jetzt komme es darauf an, den Iran oder seine verbündeten Milizen im Libanon oder Jemen von weiteren Angriffen auf Israel oder Schiffe westlicher Verbündeter im Roten Meer abzuhalten, heißt es von den G7-Diplomaten auf Capri. Der EU-Außenbeauftragte Borrell nimmt an den Sitzungen der G7 teil. Zur G7 gehören die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Deutschland.

Mehr Hilfen nach Gaza

Die USA und die übrigen G7-Staaten forderten Israel auf Capri auf, eine möglicherweise geplante große Militäraktion gegen Hamas-Terroristen im südlichen Gaza-Streifen, in Rafah, im Moment zu unterlassen. “Wir sind strikt dagegen”, sagte US-Außenminister Anthony Blinken. Die geschätzt eine Million Menschen in Rafah hätten keinen Ort, an den sie fliehen könnten, führte Blinken aus. Und selbst wenn sie das Kampfgebiet verlassen könnten, würden sie nicht versorgt werden können. Die G7 fordert eine bessere Versorgung der zivilen Bevölkerung. Israel müsse mehr Hilfsgüter in den Gaza-Streifen lassen. Gleichzeitig wird die Verantwortung der Hamas betont, denn die palästinensische Terrororganisation habe durch ihren Angriff auf Israel den Krieg ausgelöst. Außerdem müssten die Geiseln endlich aus der Gewalt der Hamas entlassen werden, forderte Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin, noch einmal ausdrücklich.

Satelliten-Aufnahme vom Flughafen und Luftwaffenstützpunkt Isfahan im Iran
Der Luftwaffenstützpunkt Isfahan, IranBild: Planet Labs PBC/AP/picture alliance

Diplomatische Fehde mit Jerusalem

Annalena Baerbock und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu waren bei ihrem Gespräch am Mittwoch in Jerusalem über die Lage der Zivilisten in Gaza heftig aneinandergeraten. Das berichtete ein israelischer Journalist, der vom deutschen Boulevardblatt BILD zitiert wurde. Der deutsche Botschafter in Israel wies aber Einzelheiten des Berichtes zurück. Netanjahu hatte behauptet, die Versorgung der Menschen in Gaza sei nicht so schlecht, wie sie international dargestellt werden. Baerbock sprach hingegen von hungernden Kindern und berief sich auf die Einschätzungen und Angaben der Vereinten Nationen. Ansonsten verwies die Ministerin darauf, dass man im Gegensatz zu anderen nicht aus vertraulichen Gesprächen auf höchster Ebene berichte.

US-Außenminister Anthony Blinken sagte, die Gruppe der Sieben halte an einer Zweistaatenlösung für den Nahen Osten fest. Erst wenn das Ziel eines israelischen Staates und eines palästinensischen Staates diplomatisch erreicht worden sei, sei auch eine Anerkennung der Staatlichkeit Palästinas überhaupt denkbar.

Entscheidungen für die Ukraine überfällig

Der Ukraine wird die weitere Unterstützung durch die G7 zugesagt. Jetzt werde man alles daran setzen, weitere Luftverteidigungssysteme für die Ukraine in Beständen des Westens und weltweit zu finden. US-Außenminister Blinken sagte, er gehe davon aus, dass der Kongress in Washington am Wochenende 60 Milliarden Dollar an Hilfe für die Ukraine freigeben werden. “Das hätte schon vor Monaten geschehen müssen, aber jetzt wird das schnell für Erleichterung sorgen”, versprach Blinken. Die EU und die Mitgliedsstaaten der NATO müssten jetzt konkrete Zusagen machen, forderte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die Taktik von Russlands Machthaber Putin, die ukrainische Energie-Infrastruktur durch Drohnen und Raketen zu zerstören, dürfe nicht aufgehen, mahnte die deutsche Ministerin Baerbock. Deutschland wird ein zusätzliches Patriot-Abwehrsystem in die Ukraine liefern. Angeblich sind sechs weitere in den Arsenalen verbündeter Staaten, den Niederlanden und Spanien, ausgemacht worden, über die am kommenden Montag bei einer Tagung der EU-Außenminister in Luxemburg entschieden werden könnte.

EU erlebt Imageverlust in Südostasien – DW – 19.04.2024

Das Ansehen der Europäischen Union in Südostasien hat gelitten. Das zeigen die Ergebnisse einer jüngsten Umfrage in der Region, die vom soziologischen Forschungsinstitut ISEAS-Yusof Ishak in Singapur erhobenen.

Im Januar und Februar dieses Jahres hatten Forscher rund 2.000 Vertreter aus der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Singapur, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Myanmar, Laos und Brunei befragt.

Die Ergebnisse deuten vor allem eines an: Das Vertrauen in die EU ist im Vergleich zum letzten Jahr gesunken. Nur 14 Prozent der Befragten sehen die EU noch als führenden Verfechter des globalen Freihandels an. Vor einem Jahr waren es noch fast 22 Prozent.

Auf dem Ranking der vertrauenswürdigen Länder und internationalen Organisationen, die sich für regelbasierte Ordnung einsetzen, ist die EU vom zweiten auf den dritten Platz gerutscht hinter den USA und dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN).

EU und ASEAN-Staaten – das Interesse wächst

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“Kooperation mit Südostasien verstärken”

Außerdem zeigt es sich, dass das Vertrauen in die Fähigkeiten und den Willen der EU, Frieden, Sicherheit, Wohlstand und gute Regierungsführung weltweit zu fördern, auch schwindet. Nur 41 Prozent der Befragten sind von der Fähigkeit überzeugt. 2023 waren es noch 51 Prozent.
Von denjenigen, die der EU kein Vertrauen ausgesprochen haben, ist fast ein Drittel der Ansicht, Brüssel sei vor allem mit sich selbst beschäftigt anstatt mit den globalen Herausforderungen.

“Die Ergebnisse der Umfrage unterstreichen, dass die Europäische Union ihre Kooperationsbemühungen mit Südostasien deutlich verstärken muss”, sagt David McAllister, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments.

Bernd Lange, Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel des Europäischen Parlaments, beschrieb die Umfrage als “ein bisschen wie ein schlechtes Zeugnis. Es ist klar, dass wir noch einige Hausaufgaben zu erledigen haben.”

Blick auf Zerstörungen in Khan Yunis, Gazastreifen
Bewegt auch die Öffentlichkeit in Südostasien: der Krieg in GazaBild: Ali Jadallah/Anadolu/picture alliance

Ansehensverlust durch Gazakrieg

Am meisten habe die Position der EU gegenüber dem Krieg zwischen Israel und der Hamas zu dem Ansehensverlust beigetragen, sagt Bridget Welsh, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Asien-Forschungsinstitut der Universität Nottingham in Malaysia. “Viele Menschen in Südostasien halten die uneingeschränkte Unterstützung Israels (durch die EU) und das Gemetzel an den Palästinensern in Gaza für inakzeptabel”, so Welsh im DW-Interview.

Derselben Umfrage zufolge stufen die Südostasiaten den Gaza-Konflikt als das wichtigste geopolitische Thema ein, noch vor den eigenen Herausforderungen in der Region wie etwa den zunehmenden Spannungen im Südchinesischen Meer und den bürgerkriegsähnlichen Situationen in Myanmar.

Gaza: Brot für die hungernde Bevölkerung

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Malaysia und Indonesien im Clinch mit der EU

Schon vor der Eskalation im Gazastreifen stritt die EU mit Malaysia und Indonesien. Beide Länder sind weltweit die größten Palmölproduzenten. Die EU plant ein Einfuhrverbot von Waren, durch die ganze Wälder abgeholzt wurden. Mehrere südostasiatische Staaten argumentieren hingegen, dies beeinträchtige ihren Agrarsektor auf unfaire Weise. Zudem erkenne Brüssel die von ihnen unternommenen Bemühungen zum Klimaschutz nicht an.

Nachdem Malaysia den Fall vor die Welthandelsorganisation (WTO) gebracht hatte, entschied diese im März zugunsten der EU. Allerdings schloss sie sich auch einigen Kritikpunkten Malaysias an, zum Beispiel wie die EU ihre Entwaldungsverordnung (EUDR) verabschiedete. Unternehmen stehen nach EUDR in der Pflicht, Sorgfaltspflichten zur Reduktion von globaler Entwaldung zu erfüllen. Der “Bewaldungsstatus” von Erzeugungsflächen muss entlang der Lieferkette nachgewiesen werden.

Mehr Transparenz für nachhaltigere Produkte

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EU als “dritte Option” zwischen den USA und China

Trotz dieser Probleme zeigten die jüngsten Ergebnisse, dass das Vertrauen in die EU als Partner der ASEAN weiterhin stark bleibe, sagt Sprecher der EU-Kommission für Außen- und Sicherheitspolitik, Peter Stano, im DW-Interview.

So habe die Umfrage etwa ergeben, dass die EU nach China, den USA und Japan der viertwichtigste Dialogpartner der ASEAN sei, so Stano. Auch habe die EU ihre Rolle als bevorzugter strategischer Partner der ASEAN im Hintergrund der Rivalität zwischen China und den USA beibehalten. Zwar habe sich die Position der EU dieses Jahr insgesamt leicht abgeschwächt, doch ihre Rolle würde positiv bewertet.

Stano weist darauf hin, dass man nicht zu viel in die Umfrage hineininterpretieren solle, da sich die Zusammensetzung der Befragten hinsichtlich geografischer Lage und Sektor von Jahr zu Jahr ändere. So konzentrierten sich die Forscher in diesem Jahr beispielsweise mehr auf die Politik und den privaten Sektor, aber weniger auf die Einschätzung durch Denkfabriken.

Auch Rahul Mishra von der thailändischen Thammasat-Universität zeigt sich hinsichtlich der Ergebnisse der Umfrage skeptisch. “Es ist erstaunlich, dass die Beiträge der EU und ihr aktives Engagement in der Region in der Umfrage nicht angemessen richtig gespiegelt werden”, so Mishra. Die Meinungsforscher hätten ihre Fragen sorgfältiger formulieren können, sagt Mishra.

Handelskrieg China gegen die USA: Wo steht Deutschland?

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“Keine Zauberformel”

Insgesamt deuten die Umfrageergebnisse darauf hin, dass Brüssel noch viel Arbeit vor sich hat, um die Südostasiaten von den langfristigen Interessen der EU in der Region zu überzeugen.

“Für das Anliegen, unser Image zu verbessern und sicherzustellen, dass wir als guter Handels- und Kooperationspartner wahrgenommen werden, gibt es keine Zauberformel”, sagt der EU-Parlamentarier Bernd Lange, Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südostasiens und ASEAN.

“Es geht darum, die Ärmel hochzukrempeln, sich mit unseren Freunden in Thailand, den Philippinen und Indonesien zusammenzusetzen und faire Vereinbarungen zu treffen, die allen helfen, zu wachsen und sich in Zukunft sicher zu fühlen”, so der deutsche Politiker zur DW. “Wir müssen zeigen, dass wir uns langfristig engagieren und bereit sind, zuzuhören, zu lernen und uns gegenseitig zu unterstützen.”

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp

Zum Wehrdienst gezwungen: Massenflucht aus Myanmar

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EU verhängt erstmals Sanktionen gegen israelische Siedler – DW – 19.04.2024

Zum ersten Mal hat die Europäische Union Strafmaßnahmen wegen der Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland ergriffen. Die Mitgliedstaaten beschlossen die Sanktionen in einem schriftlichen Verfahren, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.

Die Sanktionen richten sich demnach gegen Personen und Organisationen, die für Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland verantwortlich sein sollen. Sie werden mithilfe des EU-Sanktionsinstruments zur Ahndung von schweren Menschenrechtsverstößen verhängt. Personen, die betroffen sind, dürfen nicht mehr in die EU einreisen und keine Geschäfte mehr mit EU-Bürgern machen. Außerdem müssen ihre in der EU vorhandenen Konten und andere Vermögenswerte eingefroren werden.

Symbolisch bedeutender Schritt

Angriffe gegen Palästinenser werden wie der Siedlungsbau im Westjordanland als eines der Hindernisse für Bemühungen um eine langfristige Friedenslösung im Nahost-Konflikt gesehen – insbesondere auch nach dem Massaker der militant-islamistischen Hamas in Israel vom 7. Oktober. Die USA, die EU und andere Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein. 

Die EU hat die Gewalttaten und den Siedlungsbau bereits wiederholt verurteilt – für Strafmaßnahmen gab es aber bis heute nie den erforderlichen Konsens. Die Sanktionsentscheidung gilt deswegen als ein Anzeichen für einen Kurswechsel in der Israel-Politik der EU – auch wenn die Strafmaßnahmen an sich für die Betroffenen vergleichsweise geringe Auswirkungen haben.

UN-Gericht befasst sich mit Israels Siedlungspolitik

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Mit den Sanktionen folgt die EU dem Beispiel der USA. Diesen haben bereits Strafmaßnahmen verhängt, die sich gegen extremistische israelische Siedler richten. Die USA werfen den Betroffenen unter anderem vor, sich im Westjordanland an Gewalt gegen palästinensische Zivilisten beteiligt zu haben.

Sanktionen sollen Strafverfolgung initiieren

Die Namen der Betroffenen sollen in Kürze im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Nach Informationen der dpa handelt es sich im ersten Schritt um vier Personen und zwei Organisationen. Im Idealfall sollen die Sanktionen nach Angaben von Diplomaten dazu führen, dass die israelische Justiz sich künftig engagierter um die Verfolgung von Gewalt von israelischen Siedlern gegen palästinensische Dörfer und Olivenhaine kümmert.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte die Entwicklungen in dem Gebiet erst in der vergangenen Woche wieder als höchst besorgniserregend bezeichnet. Im Westjordanland würden Palästinenser häufig von Hunderten israelischen Siedlern angegriffen, die oft vom Militär unterstützt würden, ließ er mitteilen. Nach der Tötung eines 14-jährigen Israeli aus einer Siedlerfamilie seien bei Racheakten vier Palästinenser getötet worden, darunter ein Kind. Israel sei als Besatzungsmacht verpflichtet, Palästinenser vor Siedlerattacken und rechtswidriger Gewalt durch Sicherheitskräfte zu schützen, so Türk.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker TürkBild: Martal Trezzini/dpa/picture alliance

Ungarn verhindert lange Sanktionen

Die Sanktionen gegen Siedler hätten eigentlich bereits vor längerem beschlossen werden sollen. Die ungarische Regierung, die in der EU als besonders israelfreundlich gilt, signalisierte allerdings erst im vergangenen Monat, dass sie ihnen nicht mehr im Weg steht. Am 18. März verständigten sich die EU-Außenminister dann im Prinzip auf die Verhängung der Sanktionen. Teil der Einigung war, dass es auch neue Strafmaßnahmen gegen bewaffnete islamistische Gruppen gibt. Sie waren bereits in der vergangenen Woche verhängt worden – insbesondere wegen des Einsatzes “systematischer und weiträumiger sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt”.

Ein Grund für die angespannte Lage im Westjordanland ist, dass Israel dort seit der Eroberung des Gebiets im Sechstagekrieg 1967 umstrittene Siedlungen ausbaut. Die Zahl der Siedler in dem Gebiet, das zwischen dem israelischen Kernland und Jordanien liegt, ist inzwischen auf etwa eine halbe Million gestiegen. Einschließlich Ost-Jerusalems sind es sogar 700.000. Die Siedler

Ungarn in der Ukraine: “Wir sind keine Separatisten” – DW – 19.04.2024

Berehowe ist ein beschauliches Städtchen im äußersten Westen der Ukraine, nur sieben Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt. Vom russischen Krieg gegen die Ukraine ist hier nur wenig zu spüren. Luftalarm ertönt nur selten, Drohnen- oder Raketenangriffe auf die Stadt und das Umland gab es bisher im Städtchen nicht. Nur ein Denkmal im Zentrum erinnert an zwei Dutzend Männer von hier, die im Kampf gegen die russische Aggression starben, irgendwo im Osten des Landes.

An einem kühlen Frühjahrstag trinken an einem Stehtisch vor der Konditorei Parisel im Zentrum des Ortes einige Menschen Kaffee und unterhalten sich auf Ungarisch. Sie gehören zur ungarischen Minderheit in der Region, hier in Berehowe sind etwa die Hälfte der 23.000 Einwohner Ungarn. Einer in der Gruppe vor dem Café ist ein Mittvierziger, gekleidet in eine Armeeuniform. Er dient als Soldat bei einer regionalen Freiwilligen-Einheit.

Denkmal mit Fotos von toten Männern, links eine ukrainische, rechts eine ungarische Fahne
Denkmal für Soldaten aus Berehowe, die im Kampf gegen die russische Aggression starbenBild: Hanna Sokolova-Stekh/DW

Bei der Frage, wie er sich als Ungar in der Ukraine fühle, wird sein Blick ernst. “Wir gehören nirgends richtig dazu”, klagt er. “Hier stempeln uns die Ukrainer als Ungarn ab, dort drüben, in Ungarn, gelten wir als Ukrainer oder Russen.” Er hält einen Augenblick inne. Dann sagt er: “Aber wir Ungarn hier in Transkarpatien halten zusammen. Dies ist unsere Heimat und die Heimat unserer Vorfahren.”

Unruheherd Transkarpatien

Transkarpatien – so heißt die westukrainische Region, in der auch Berehowe liegt. Traditionell

Enttarnt: Spione in Deutschland – DW – 18.04.2024

In Bayreuth im deutschen Bundesland Bayern sind zwei Männer festgenommen worden. Sie sollen Militärgelände und Eisenbahnstrecken in Deutschland im Visier gehabt haben. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen vor, diese im Auftrag russischer Geheimdienste nicht nur ausspioniert zu haben. Einer der beiden am Donnerstag in Bayern verhafteten Männer habe auch Sprengstoffanschläge geplant.  

“Die Aktionen sollten insbesondere dazu dienen, die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren”, schreibt der Generalbundesanwalt in einer Pressemitteilung anlässlich der Verhaftung der beiden Männer, die neben dem deutschen auch einen russischen Pass besitzen. Nicht nur deutsche Einrichtungen sollen sie dazu fotografiert haben, sondern auch solche des US-Militärs in Deutschland.  

Der Hauptverdächtige soll sich in der Vergangenheit in der Ostukraine einer bewaffneten Einheit der selbsternannten “Volksrepublik Donezk” angeschlossen haben. Ihm wird deshalb auch die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen den Männern Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. 

Fall schlägt hohe Wellen

Nach Angaben des Generalbundesanwalts am Bundesgerichtshof seien die Männer “dringend verdächtig in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.” Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von einem “besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime”.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat den russischen Botschafter in Berlin einbestellt, was in der Diplomatie als Ausdruck deutlicher Kritik gilt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zu dem Fall geäußert. Er sagte: “Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden.” 

Doppelagent als Referatsleiter beim BND?

Ebenfalls wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen an Russland  stehen Carsten L. und sein Komplize Arthur E. in Berlin bereits vor Gericht. Sie sollen für ihre Agententätigkeit viel Geld kassiert haben. Werden sie wegen besonders schwerem Landesverrat verurteilt, dann droht ihnen eine

Keine Anklagen nach tödlicher Ahrtal-Flut – DW – 18.04.2024

Es habe sich kein hinreichender Tatverdacht gegen den ehemaligen Landrat Jürgen Pföhler und einen Mitarbeiter aus dem Krisenstab ergeben, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz, Mario Mannweiler. Hintergrund der Ermittlungen war, dass der Vorwurf im Raum stand, der Landkreis Ahrweiler mit Pföhler an der Spitze habe womöglich zu spät vor der Flutkatastrophe im Juli 2021 im Ahrtal gewarnt.

Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler hält eine Hand mit drei ausgestreckten Fingern vor sich
Mario Mannweiler, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft KoblenzBild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Die Staatsanwaltschaft ermittelte mehr als zweieinhalb Jahre wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in 135 Fällen und der fahrlässigen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Pföhler hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Auch der Mitarbeiter hatte zuvor über seinen Anwalt bestritten, sich strafbar gemacht zu haben.

Bei der Flutkatastrophe waren in Rheinland-Pfalz 136 Menschen gestorben, davon 135 in der Ahr-Region und eine Person im Raum Trier. Tausende Häuser wurden zerstört, Straßen und Brücken weggespült. Ein Mensch gilt zudem weiterhin als vermisst. Mehr als 30 weitere Tote gab es in überfluteten Regionen im benachbarten Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Ereignis jenseits der Vorstellungskraft

Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass es sich um eine außergewöhnliche Naturkatastrophe gehandelt habe, deren extremes Ausmaß für die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler nicht konkret vorhersehbar gewesen sei. “Ein vergleichbares Hochwasser hat es in menschenerdenklicher Zeit an der Ahr noch nicht gegeben”, betonte Mannweiler. Die Flut sei für Anwohner, Betroffene und Einsatzkräfte sowie Einsatzverantwortliche unvorstellbar gewesen.

Deutschland Schäden nach Überschwemmung | Schuld
Zerstörte Häuser im Ort Schuld im Ahrtal nach der Flut von 2021 (Archiv)Bild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Zwar sei der Katastrophenschutz im Landkreis Ahrweiler unzureichend organisiert gewesen, und das Führungssystem des Katastrophenschutzes habe eine ganze Reihe von Mängeln aufgewiesen. “Die Verantwortung dafür trägt in erster Linie der politisch und administrativ gesamtverantwortliche ehemalige Landrat”, sagte Mannweiler. Diese “durchaus beachtlichen Mängel”, die ein Gutachter festgestellt habe, begründeten aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber keine Strafbarkeit.

Kein Urteil über Charakter oder Pflichterfüllung

“Uns ist bewusst, dass die Ahrflut unsägliches Leid über die Menschen im Ahrtal gebracht hat. Wir wissen, wie viel Trauer und Erschütterung die Katastrophe ausgelöst hat und wie viele traumatisiert zurückgeb

Indien: Das Wichtigste über die Parlamentswahlen – DW – 18.04.2024

Rund 970 Millionen Wähler sind aufgerufen, beim größten und längsten Urnengang der Geschichte Indiens ihre Stimme abzugeben. Über insgesamt sieben Stufen laufen die am Freitag (19.04.24) Woche beginnenden und über sechs Wochen sich ziehenden Parlamentswahlen. Danach steht fest, wer auf die 543 Sitze des Lok Sabha, des indischen Unterhauses, ziehen wird.

Die Liste der Bewerber ist gigantisch. Angetreten sind sechs nationale Parteien, 57 Parteien aus den einzelnen Bundesstaaten und 2 597 kleinere Parteien. Letztere stehen zwar auf dem Stimmzettel, erfüllen aber nicht die Bedingungen, um von der nationalen Wahlkommission offiziell anerkannt zu werden.

Am 4. Juni werden sämtlich Stimmzettel ausgezählt, die Ergebnisse noch am selben Tag bekannt gegeben. Um die absolute Mehrheit zu erreichen, muss eine Partei oder Koalition über 272 Sitze im Parlament verfügen.

Das Hauptrennen wird zwischen den beiden größten politischen Parteien Indiens stattfinden: der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP) um Premier Narendra Modi und dem oppositionellen Indian National Congress (INC).

Um 2024 eine geschlossene Opposition gegen die BJP und Premier Modi zu bilden, steht die Congress-Partei an der Spitze eines Bündnisses von 28 Parteien, genannt “Indian National Developmental Inclusive Alliance” (INDIA).

Ungleichheit in Indien

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Modi und BJP weiterhin beliebt

Umfragen zufolge dürften Premierminister Modi und seine hindunationalistische BJP als Sieger aus den Wahlen hervorgehen.

Modi ist nicht zuletzt aufgrund seines auf die hinduistische Mehrheit Indiens ausgerichteten Programms beliebt. Die Hindus stellen 80 Prozent der Bevölkerung. Zudem hat Modi verschiedene Programme für wirtschaftliches Wachstum auf den Weg gebracht. Dazu hat er den Indern auch ein Versprechen gegeben: Das Land werde bis 2029 zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen.

Bei den Wahlen 2019 hatte die BJP mit 303 Sitzen einen erdrutschartigen Sieg errungen und eine Koalition von insgesamt 353 Sitzen gebildet. Die Kongresspartei hingegen errang 52 Sitze. Zu ihnen kamen 91 weitere der mit ihr koalierenden Parteien.

Angesichts der nun ein Jahrzehnt dauernden und sich aller Wahrscheinlichkeit nach um fünf weitere Jahre verlängernden Macht der BJP monieren Kritiker, die Modi-Regierung habe Indiens jahrzehntelanges Engagement für Mehrparteiendemokratie und Säkularismus in sein Gegenteil verkehrt.

Narendra Modi präsentiert das Wahlprogramm der BJP, April 2024
Politisches Angebot: Narendra Modi (m.) mit dem Wahlprogramm der BJP im April 2024Bild: Manish Swarup/AP/picture alliance

Sorge vor möglicher Verfassungsänderung

Immer wieder setzt die BJP auf eine aggressive hindunationalistische Agenda. Diese hat sich in der Vergangenheit als hilfreich erwiesen, um Stimmen zu gewinnen. Die politischen Gegner der BJP fürchten indessen, die ultranationalistische Rhetorik der Partei könne den Säkularismus als Grundlage der indischen Verfassung verdrängen.

Seit der Wiederwahl der BJP im Jahr 2019 sind die Spannungen zwischen Hindus und der muslimischen Minderheit Indiens eskaliert.

Die Frauenrechtsaktivistin Syeda Hameed, ehemals Mitglied der indischen Planungskommission, fürchtet gar, die Verfassung könnte geändert werden, sollte die BJP die Parlamentswahlen abermals gewinnen.

“Es wurde ganz offen erklärt, dass Indien ein theokratischer Staat werden wird, sollte die BJP die Verfassung ändern. Je nach dem, welche Mehrheitsverhältnisse sie erringen, könnte das passieren”, so Hameed im Interview mit der DW.

Die größte Wählerschaft der Welt

Offiziellen Zahlen zufolge

Olympia-Goldprämie in der Leichtathletik: Fluch oder Segen? – DW – 18.04.2024

Der Leichtathletik-Weltverband World Athletics hat offenbar in ein Wespennetz gestochen. Weltweit wird über den Vorstoß des Verbands debattiert, Olympia-Goldprämien zu zahlen. World Athletics hatte in der vergangenen Woche angekündigt, für Siege in den 48 Leichtathletik-Wettbewerben der Olympischen Sommerspiele in Paris (26. Juli bis 11. August) je 50.000 US-Dollar (rund 46.800 Euro) auszuschütten. Bei den Spielen 2028 in Los Angeles soll es nach Angaben von World Athletics auch Prämien für Silber und Bronze geben. Es ist das erste Mal in der 128 Jahre alten Geschichte der Olympische Spiele der Neuzeit, dass ein Weltverband einer einzelnen Sportart Siegprämien für Olympiasiege auslobt.

“Ich halte es für wichtig, dass wir irgendwo anfangen und dafür sorgen, dass ein Teil der Einnahmen, die unsere Athleten bei den Olympischen Spielen generieren, direkt an diejenigen zurückfließt, die die Spiele zu dem weltweiten Spektakel machen, das es ist”, sagte World-Athletics-Präsident Sebastian Coe. Der Olympiasieger im 1500-Meter-Lauf bei den Spielen 1980 und 1984 riskiert damit Streit – nicht nur mit dem Internationen Olympischen Komitee (IOC), sondern auch mit den Weltverbänden anderer Sportarten.

Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, spricht während eines Meetings der Exekutive des Verbands in Monaco.
Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, wird als möglicher Nachfolger von IOC-Chef Thomas Bach gehandeltBild: Handout via World Athletics/REUTERS

So gab es bereits deutliche Kritik des Radsport-Weltverbands UCI. “Der olympische Geist besteht darin, die Einnahmen zu teilen und dafür zu sorgen, dass mehr Athleten weltweit antreten können”, sagte UCI-Präsident David Lappartient. “Wir sollten nicht alles Geld auf die Spitzensportler konzentrieren, sondern das Geld verteilen.”

Gefälle zwischen den Sportarten

Das IOC setzt auf ein Solidarmodell. 90 Prozent der Einnahmen aus Olympischen Spielen fließen an Organisationen der Olympischen Bewegung – in erster Linie an die Weltverbände der Sportarten und die Nationalen Olympischen Komitees. Mit den restlichen zehn Prozent bezahlt das IOC seine Verwaltung und das Olympische Museum in Lausanne.

Nach den Sommerspielen 2021 in Tokio verteilte das IOC rund 540 Millionen Dollar (505 Millionen Euro) an 28 Weltverbände. Am meisten strich World Athletics ein: fast 40 Millionen Dollar. Am unteren Ende der Liste landeten die Weltverbände für Taekwondo, Golf und Rugby mit jeweils knapp 13 Millionen Dollar. Es gibt also hier bereits ein finanzielles Gefälle zwischen den Sportarten.

Das 100-Meter-Rennen der Frauen bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio.
Der Leichtathletik-Weltverband erhielt nach den Spielen 2021 in Tokio den größten Batzen der IOC-GelderBild: Dylan Martinez/REUTERS

Darauf wies auch Großbritanniens Ruderlegende Steven Redgrave hin, als er die Entscheidung des Leichtathletik-Weltverbands scharf kritisierte. “Die meisten anderen Sportarten werden dem nicht folgen können. Sie [World Athletics – Anm. d. Red.] machen daraus einen Zweiklassen-Prozess. Das ist in meinen Augen die falsche Richtung”, sagte der fünfmalige Olympiasieger der Zeitung “Daily Mail”. Die Prämien, so Redgrave, seien eigentlich überflüssig. “Wenn man eine olympische Goldmedaille in einer Leichtathletik-Disziplin gewinnt, kann man damit beträchtliche finanzielle Gewinne erzielen.”

World-Athletics-Vorstoß ohne Absprache

In eine ähnliche Richtung geht die Antwort des Tennis-Weltverbands ITF auf eine Anfrage der DW, ob auch er an Prämien für Olympiasieger denke. “Die Möglichkeit, um das Prestige einer olympischen Medaille zu kämpfen, war schon immer ein einzigartiger und besonderer Anreiz für die Spieler, an den [Olympischen] Spielen teilzunehmen”, teilte die ITF mit. Der Tennisverband stellte klar, dass er sein Vorgehen, wenn überhaupt, nur in Absprache mit dem IOC und der ASOIF – dem Bündnis der bei Sommerspielen vertretenen Verbände – ändern würde. Der Basketball-Weltverband FIBA lehnte es gegenüber der DW ab, den Vorstoß von World Athletics zu kommentieren. Nur so viel: “Die FIBA plant nicht, [Olympia-] Preisgelder im Basketball einzuführen.”

Offenbar wurden das IOC, die Weltverbände der Sportarten und auch die Nationalen Olympischen Komitees von der Initiative des Leichtathletik-Verbands und seines Präsidenten Coe überrascht. “Das ist eine Debatte, die wir führen können, aber wir müssen sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und gemeinsam führen”, sagte Andy Anson, Chef der British Olympic Association, gegenüber dem TV-Sender “Sky Sports”. “Sie [World Athletics] schaffen ein Problem, denn nun werden andere Sportarten sicherlich ins Visier genommen oder sogar von Athleten unter Druck gesetzt, die sagen: ‘Was ist mit unserem Sport? Warum kann dieser Sport es machen und wir nicht?'”

Die Interessenvertretung “Athleten Deutschland” begrüßte dagegen den Vorstoß von World Athletics. Es sei ein “Weckruf für das IOC und die anderen Weltverbände, die Athleten endlich an den durch sie generierten Einnahmen zu beteiligen”, sagte Ex-Basketballer Johannes Herber, der Geschäftsführer der Organisation. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) reagierte gelassen. Es liege “in der Verantwortung des Leichtathletik-Weltverbands, wie er die Einnahmen, die er vom IOC erhält, verteilt”, ließ die Dachorganisation des deutschen Sports wissen.

Sporthilfe-Prämie für Leichtathleten obendrauf

Der DOSB unterstütze die Prämienvergabe der Stiftung Deutsche Sporthilfe an Aktive, die bei Olympischen Spielen auf den Plätzen eins bis acht landeten. Die Sporthilfe, die über öffentliche Mittel, Spenden, Lotterieeinnahmen und Benefizveranstaltungen finanziert wird, fördert seit über 50 Jahren deutsche Sportlerinnen und Sportler. 2024 wird sie nach eigenen Angaben rund 23 Millionen Euro ausschütten, so viel wie noch nie zuvor. Für Gold in Paris gibt es 20.000, für Silber 15.000 und für Bronze 10.000 Euro. Platz acht wird immerhin noch mit 1500 Euro honoriert. Das gilt für alle Sportarten.

“Die Sporthilfe-Prämien gelten auch für die Leichtathletinnen und Leichtathleten – unabhängig davon, ob sie von Verbänden, privaten Sponsoren oder sonstigen Dritten für ihre Erfolge honoriert werden”, teilt die Sporthilfe auf Anfrage der DW mit. Mit anderen Worten: Deutsche Leichtathletik-Gewinnerinnen und Gewinner von Paris 2024 könnten sich doppelt freuen. Sie würden nicht nur die 50.000 Dollar Gold-Prämie von World Athletics kassieren, sondern obendrauf auch noch die 20.000 Euro der Sporthilfe.