Streit um Mali-Einsatz der Bundeswehr | DW | 27.01.2022

Seit fast neun Jahren sind Bundeswehrsoldaten in Mali im Einsatz. Der könnte jedoch bald enden. Denn die Militärmission wird in Frage gestellt: in Berlin genauso wie in Bamako. Dort sucht man bereits neue Partner.

Noch trifft Nachschub ein für die Bundeswehr in Mali. So etwa vergangene Woche, als deutsche Soldaten am Flughafen der malischen Hauptstadt Bamako ein leicht gepanzertes Fahrzeug in Empfang nahmen. Doch es ist unklar, wie lange die Bundeswehr noch Ausrüstung und Soldaten in das westafrikanische Land schickt.

Denn Ende Mai laufen die Mandate für die beiden Bundeswehr-Einsätze im Rahmen der EU-Ausbildungsmission EUTM und der UN-Friedensmission MINUSMA aus. Und es scheint nicht ausgemacht, dass der Bundestag die derzeit größte Auslandsmission verlängert. In Berlin herrscht Ärger über die Regierung von Assimi Goïta, der sich im Mai 2021 an die Macht putschte und zum Übergangspräsidenten ernannte. Er will doch nicht wie bisher geplant im Februar Wahlen abhalten, sondern erst in fünf Jahren.

Infografik Internationale Truppen in Mali DE

“Die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung ist eine wichtige Voraussetzung für das Engagement der internationalen Gemeinschaft in Mali”, sagt Agnieszka Brugger, Verteidigungsexpertin der Grünen im Bundestag: “Große Irritation und Verärgerung haben natürlich auch die jüngsten Entscheidungen des Übergangsregimes ausgelöst, durch die die internationalen Truppen, auch die Bundeswehr, in ihrer Bewegungsfreiheit im Rahmen der Mission behindert worden sind, etwa durch verweigerte Überflugrechte.”

Erstmals hatte Mali am Mittwoch vergangener Woche einer deutschen Militärmaschine den Überflug verweigert. Das Transportflugzeug mit 75 Soldaten an Bord musste daraufhin umkehren. Anfang dieser Woche forderte die Regierung dann dänische Soldaten der europäischen “Takuba”-Mission auf, das Land unverzüglich zu verlassen. Die Spezialeinheiten seien ohne Malis Zustimmung im Einsatz, so die Übergangsregierung, die sich von den europäischen Partnern und insbesondere der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich immer weiter distanziert.

Mali | Massendemonstration Plakat Death to France and its allies

Hass auf den Westen: Viele Menschen in Mali empfinden die Militärmissionen als neokoloniale Einmischung

“All das gibt Anlass zu sehr großer Sorge und deshalb kann es kein Weiter-so und keinen Blankoscheck für die Verlängerung der Mandate geben”, sagt Brugger im Gespräch mit der DW. Klar für ein Ende der Bundeswehr-Mandate sprechen sich im Bundestag bislang nur die Partei Die Linke und die rechtspopulistische AfD aus. “Die Bundeswehr raus aus Mali – sofort”, fordert etwa der AfD-Abgeordnete René Springer.

Angst vor Terror

Deutsche Soldaten sind seit fast neun Jahren in Mali im Einsatz. Im Januar 2013 hatte die malische Regierung Frankreich und die Vereinten Nationen um Hilfe ersucht. Die Armee des Landes stand kurz vor dem Kollaps. Ein Einmarsch islamistischer Kämpfer in der Hauptstadt Bamako schien nur noch eine Frage von Wochen.

Agnieszka Brugger I Bundestagssitzung und Debatte zu Sorgfaltspflichten in Lieferketten

Für Agnieszka Brugger von den Grünen steht die Zukunft des Mali-Einsatzes in Frage

Die Franzosen entsandten Soldaten, es folgten Truppen aus dem Tschad und vielen weiteren Ländern, darunter auch Deutschland. Mit Hilfe dieser internationalen Militärpräsenz gelang es zunächst, Islamisten und andere Rebellen in den Norden des Landes zurückzudrängen.

Doch neun Jahre später fällt die Bilanz der Einsätze ernüchternd aus. Dschihadistische Gruppen und kriminelle Banden sind im Grenzgebiet zwischen Burkina Faso, Mali und dem Niger weiter aktiv. In den vergangenen fünf Jahren nahm die Zahl der Terroranschläge wieder deutlich zu. Und das trotz Drohnen und Hubschraubern, trotz der Ausbildung der malischen Armee, trotz Milliarden an Euro, die europäische Länder ausgegeben haben.

Auschwitz – ein Ort und seine erschütternde Geschichte | DW | 26.01.2022

Weltweit erinnert der Holocaust-Gedenktag an die Verbrechen der Nazis. Am 27. Januar 1945 befreite die sowjetische Armee die Häftlinge des KZ Auschwitz. Was sie vorfand, ist bis heute unfassbar.

Über 49 Millionen Menschen haben die Gedenkstätte des früheren KZ Auschwitz in Südpolen seit ihrer Eröffnung 1947 besucht. Normalerweise kommen jedes Jahr mehr als zwei Millionen Besucher aus aller Welt dorthin. In den Corona-Jahren lagen die Besucherzahlen bei rund 500.000 pro Jahr. Ungefähr 50 Kilometer westlich von Krakau erstreckte sich bis 1945 das riesige Gelände des gesamten NS-Lagerkomplexes, vor den Toren der kleinen Stadt Oświęcim. Heute befinden sich auf dem Areal ein staatliches Museum und die Gedenkstätte.

Zu dem zentralen Vernichtungslager der Nazis gehörten neben den drei Hauptlagern noch unterschiedlich große Neben- und Außenlager – eine industrielle Vernichtungsmaschinerie unvorstellbaren Ausmaßes. Allein das Museum im Stammlager Auschwitz und die weitläufige Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, wie man sie heute besichtigen kann, umfassen 191 Hektar.

Junge Frau mit Rose in der Hand besucht die Gedenkstätte Auschwitz im Sommer 2014

Was bleibt, ist die Erinnerung an den Massenmord in Europa – und die Verantwortung für die Zukunft

Was sich hinter dem Begriff “Auschwitz” an historischen Fakten und Zahlen, an Geschichte und an Verantwortung für die Zukunft verbirgt, haben wir hier zusammengefasst:

1. Die Stadt Oświęcim (Auschwitz)

Lange bevor der Name durch das deutsche Konzentrationslager bekannt wurde, war Auschwitz (polnisch: Oświęcim) eine kleine Stadt mit einer wechselvollen Geschichte. Mal gehörte sie zum Herrschaftsgebiet der Österreicher, mal als Herzogtum Auschwitz zum Königreich Böhmen, mal zu Preußen – und später wieder zum Königreich Polen. Urkundlich wurde der Ort Oświęcim erstmals um das Jahr 1200 erwähnt. 1348 wurde er dem Heiligen Römischen Reich einverleibt, Deutsch wurde Amtssprache.

Als Oświęcim um 1900 Haltepunkt für die Eisenbahn wurde, ging es wirtschaftlich mit der Stadt aufwärts. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Stadt wieder Teil von Polen. Für die vielen Saison- und Wanderarbeiter in den umliegenden Industriegebieten Oberschlesiens und Böhmens wurden Unterkünfte benötigt. Untergebracht wurden sie in neu errichteten, gemauerten Häusern und Holzbaracken. Die Gebäude sollten später die Basis des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz bilden.

Kurz nach Kriegsbeginn im September 1939 wurde Oświęcim von der deutschen Wehrmacht besetzt und vom Deutschen Reich annektiert. 1940 konnte die SS (die so genannte Schutzstaffel war die Elite- und Terrororganisation der Nationalsozialisten und stellte das gesamte Führungs- und Lagerpersonal) unter der Leitung von Heinrich Himmler das Areal schnell und ohne viel baulichen Aufwand zum KZ umfunktionieren, ins Stammlager Auschwitz I. Später kam das riesige Gelände des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) dazu.

Gleise, die zum Tor des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau führen, im Hintergrund sind Besuchergruppen zu erkennen (datiert: Sommer 2018)

Teil der Gedenkstätte: Das Tor am Ende der Gleise auf dem Gelände von Auschwitz-Birkenau

2. Die jüdische Bevölkerung

Vor dem Zweiten Weltkrieg war mehr als die Hälfte der 12.000 Einwohner von Oświęcim jüdischen Glaubens. Die jüdische Gemeinde war durch Zuwanderung stark angewachsen, die Zahl der Deutschstämmigen im Ort unbedeutend gering. Nach dem Überfall von Hitlers Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 und der militärischen Besetzung des Landes änderte sich das schlagartig.

Juden (wie auch andere Verfolgte des Nazi-Regimes) wurden in Ghettos isoliert oder zur Zwangsarbeit deportiert. Die in Oświęcim verbliebenen polnischen Juden lebten anfangs eng zusammengepfercht und abgeschieden von der übrigen Bevölkerung in der Altstadt. Viele wurden ab 1940 von der SS zum Ausbau des geplanten Konzentrationslagers gezwungen oder zur Arbeit in andere Landesteile transportiert. Die wenigen Über

Max Ophüls Preis für “Moneyboys” | DW | 26.01.2022

Das Werk über einen schwulen Prostituierten erhielt sowohl die Trophäe für den besten Film als auch für das beste Drehbuch. Die Geschichte der Moneyboys” werde mit viel “Herzlichkeit” erzählt, urteilte die Jury.

Vorm ersten Mal ist der junge Chinese Fei (gespielt von Kai Ko) noch sehr nervös. Fei ist ein sogenannter Moneyboy – einer von vielen männlichen Sexarbeitern, die durch das Prostitutionsverbot in China ein stattliches Einkommen verdienen. Doch Fei behält das Geld nicht, sondern schickt es seiner Familie, die er in seinem Heimatdorf auf dem Land zurückgelassen hat. Die finanziellen Zuwendungen nimmt man dort gern an, aber dass er schwul ist, würde die Verwandtschaft nie akzeptieren. Eines Tages verliebt sich Fei in Xiaolai, der in dem Gewerbe schon viel Erfahrung hat. Eine Geschichte voller Gewalt, Misstrauen und Eifersucht nimmt ihren Lauf.

Laudatio für sensible Darstellung queeren

US-Notenbank stellt baldige Zinswende in Aussicht | DW | 26.01.2022

In den USA brummen Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Doch die hohe Inflationsrate beunruhigt die Notenbank. Daher strafft sie die geldpolitischen Zügel. Vorerst bleibt der Leitzins zwar nahe Null, doch bald dürfte er steigen.

Angesichts der hohen Inflationsrate und der guten Lage am Arbeitsmarkt werde es “bald angemessen sein”, den Leitzins zu erhöhen, teilte die amerikanische Zentralbank in Washington mit. Nach der geldpolitischen Sitzung erklärte Federal Reserve (Fed), sie belasse den Leitzins einstweilen noch in der Spanne von null bis 0,25 Prozent. Fed-Chef Jerome Powell ist in Sorge über die hartnäckig hohe Inflation und hat ein Ende der lockeren Linie signalisiert.

Nach der aktuellen Sitzung der Fed sagte er vor Journalisten: “Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Inflation im Laufe des Jahres zurückgehen wird.” Die Kontrolle der Inflation sei entscheidend für einen starken Arbeitsmarkt. “Wir glauben, das Beste, was wir tun können, um anhaltende Zuwächse beim Arbeitsmarkt zu unterstützen, ist die Förderung einer langen Expansion, und das erfordert Preisstabilität.”

Schon Mitte März dürfte die Zentralbank erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie den Zins erhöhen und im Jahresverlauf nachlegen. Einer Fed-Prognose vom Dezember zufolge sind bis Jahresende bis zu drei Zinsschritte wahrscheinlich. Mehrere Mitglieder des Zentralbankrats hatten jüngst bereits eine baldige Erhöhung des Leitzinses für die weltgrößte Volkswirtschaft signalisiert. Viele Analysten rechnen als ersten Schritt mit einer Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte.

USA Washington | Jerome Powell während Anhöhrung

Fed-Chef Jerome Powell will eine Wende in der Zinspolitik einleiten

Voraussetzung ist jedoch der Stopp des in der Pandemie eingeführten großen Wertpapierkaufprogramms, dessen baldiges Ende von der Fed besiegelt wurde. Das monatliche Abbautempo bei den Zukäufen hat sich ab Mitte Januar bereits auf 30 Milliarden Dollar verdoppelt. Anfang März soll dieses als Tapering bekannte Manöver nun abgeschlossen werden, womit der Weg für eine Zinserhöhung frei wäre. Die Fed hatte die Leitzinsen im März 2020 angesichts der verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft auf zwischen Null und 0,25 Prozent gesenkt.

Für stabile Preise sorgen

Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich sehr positiv: Die Arbeitslosenquote fiel im Dezember auf 3,9 Prozent und viele Unternehmen klagen bereits über einen Mangel an Bewerbern. Vor der Corona-Krise hatte die Arbeitslosenquote bei 3,5 Prozent gelegen, dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten.

Doch die Inflation macht der Notenbank zu schaffen. Bis Ende 2021 hatte sie die hohe Teuerungsrate noch als “vorübergehendes” Phänomen infolge der Corona-Krise bezeichnet. Doch die Preise steigen seit Monaten immer weiter, weswegen die Fed die Geldpolitik nun schneller strafft. Eine Erhöhung des Leitzinses würde die Inflation drosseln, aber auch das Wirtschaftswachstum ausbremsen. Die Inflation war im Dezember im Vergleich zum Vorjahr auf 7 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Wert seit fast 40 Jahren.

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Dollar weniger kaufen können als zuvor. Experten machen unter anderem die rasche wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise, großzügige Konjunkturprogramme sowie Unterbrechungen globaler Lieferketten für den Anstieg der Preise verantwortlich.

Ein Problem für Biden

Die Teuerungsrate ist auch für Präsident Joe Biden problematisch, denn viele Wähler machen die Regierung dafür verantwortlich. Grob gesagt: Je höher die Preise, desto mehr fallen Bidens Umfragewerte. Das macht dem Präsidenten und seinen Demokraten zu schaffen, denn sie bemühen sich bei der Kongresswahl im November, ihre knappen Mehrheiten in beiden Parlamentskammern zu verteidigen.

Obwohl sich viele Menschen in Umfragen unzufrieden über die wirtschaftliche Entwicklung äußern, brummt die US-Konjunktur bislang: Am Donnerstag wird die Regierung die erste Schätzung zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2021 bekanntgeben. Finanzministerin Janet Yellen erwartet ein rasantes Wachstum von rund 5,3 Prozent, die Fed rechnete zuletzt mit einem Plus von 5,5 Prozent.

kle/MM (dpa, afp, rtr)

Bruder von Kremlkritiker Nawalny zur Fahndung ausgeschrieben | DW | 26.01.2022

Oleg Nawalny wurde auf eine entsprechende Liste des russischen Innenministeriums gesetzt. Er soll – bei einer Bewährungsstrafe verfügte – Meldeauflagen nicht eingehalten haben.

Der 38-Jährige Oleg Nawalny wurde im vergangenen Jahr zusammen mit wichtigen Mitstreitern seines Bruders Alexej zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er gegen Corona-Auflagen verstoßen haben soll.

Der Strafvollzug forderte nun, die Bewährungsstrafe in eine Haftstrafe umzuwandeln. Grund sei, dass Meldeauflagen nicht eingehalten worden seien. Nawalnys Anwalt sagte der Agentur Interfax, Oleg Nawalny sei bei einer Kontrolle nicht an seinem Wohnsitz angetroffen worden. Ob er Russland verlassen habe, wisse er nicht.

Opposition wird zunehmend unter Druck gesetzt

Der Radiosender “Echo Moskwy” hatte zuvor berichtet, für den 18. Februar sei eine Verhandlung vor einem Moskauer Gericht angesetzt worden. Der Kremlgegner Alexej Nawalny und einige seiner Mitstreiter sind erst am Dienstag in Russland auf eine umstrittene Liste von “Terroristen und Extremisten” gesetzt worden. Alexej Nawalny ist in einem Straflager etwa 100 Kilometer östlich von Moskau inhaftiert.

Russland | Opposition | Alexei Nawalny

Alexej Nawalny ist in einem Straflager in der Nähe von Moskau inhaftiert.

Im vergangenen Juni hatte ein Gericht in Moskau Nawalnys Anti-Korruptions-Fonds und andere Organisationen des Oppositionellen als extremistisch eingestuft und damit verboten. Kritiker beklagen, dass Unterstützer von Nawalny damit politisch ausgeschaltet werden sollten. Viele Mitarbeiter seiner Organisation arbeiten inzwischen aus Angst vor Strafverfolgung vom Ausland aus.

bru/sti (dpa, afp)

Viagra: Darum bleibt das Potenzmittel in Deutschland rezeptpflichtig | DW | 26.01.2022

Ein Sachverständigenrat hat entschieden, dass es den Viagra-Wirkstoff Sildenafil in Deutschland auch weiterhin nur mit Rezept geben soll. Ein Grund: Erektionsstörungen können Vorboten eines Herzinfarkts sein.

In Deutschland bleibt der Viagra-Wirkstoff Sildenafil weiterhin verschreibungspflichtig. Ein Sachverständigenausschuss beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte einen Antrag auf Aufhebung der Verschreibungspflicht einstimmig ab. 

Dies betrifft nicht nur die bekannte Potenzpille Viagra vom Pharma-Riesen Pfizer, sondern auch sogenannte Nachahmerpräparate mit dem Wirkstoff Sildenafil, beispielsweise Tadalafil (Cialis), Vardenafil (Levitra) oder Avanafil (Spedra). Entscheiden muss letztlich das Bundesgesundheitsministerium, aber gewöhnlich folgt es der Empfehlung des Ausschusses. 

Die Pharmaindustrie und auch Apotheken hatten schon lange auf einen Wegfall der Rezeptpflicht gedrängt. Denn mit Potenzmitteln lässt sich viel Geld verdienen.  Pfizer erzielte 2019 mit seinem Produkt Viagra einen weltweiten Umsatz von rund 497 Millionen US-Dollar, und das obwohl seit Ablauf des Patentschutzes 2012 zahlreiche Generika der blauen Pfizer-Pille kräftig Konkurrenz machen.

In einigen europäischen Ländern wie Polen, Großbritannien, Schweden und Norwegen können Viagra und andere Sildenafil-haltige Tabletten ohne Rezept bezogen werden, wenn die Apothekerinnen und Apotheker speziell geschult sind und so eine kompetente Beratung stattfinden kann.

Und diese Beratung sei enorm wichtig, so Dr. Ursula Sellerberg, Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA): “Das sind keine Bonbons, die man einfach so einnimmt. Die Beratung von geschulten Pharmazeuten ist wie bei allen anderen Medikamenten unerlässlich.”

Gefährlicher Schwarzmarkt

Diese wichtige Beratung fehlt allerdings, wenn man sich die vermeintliche Wunderpille ohne Rezept illegal übers Internet bestellt.

Außerdem werden auf dem Schwarzmarkt viele verunreinigte Produkte verkauft, so Prof. Frank Sommer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit: “Wir haben vor einigen Jahren eine Studie gemacht, da haben wir 22 Produkte, die man im Internet frei bestellen kann, untersucht und festgestellt, dass bei über 80 Prozent nicht das drin war, was angegeben war. Wir hatten zum Beispiel eine Gruppe, da war die Dosis viermal so hoch.”

Wenn man das regelmäßig einnehme, habe man ein sehr hohes Risiko für Herzschädigungen. Einige Präparate enthielten zudem Verunreinigungen etwa mit Schwermetallen, so Prof. Sommer.

Im Internet gibt es aber nicht nur gefälschten Markenprodukte, sondern auch Online-Angebote von Medizinern, bei denen der Interessent zunächst einen medizinischen Fragebogen ausfüllt und dann gegebenenfalls Viagra oder ein anderes Mittel aus dem Ausland zugeschickt bekommt.

In der Regel handele es sich dabei tatsächlich um das Originalprodukt – für den stolzen Preis von ca. 60 Euro für vier Potenz-Tabletten.

Erektionsstörung als Vorbote eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls

Grundsätzlich sollten Männer Erektionsstörungen nicht unterschätzen, betont Mediziner Sommer. Eine erektile Dysfunktion steht häufig auch im Zusammenhang mit Diabetes. Oder mit Herzproblemen.”Eine Erektionsstörung ist, wenn sie gefäßbedingt ist, Vorbote eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls. Wir erkennen das bei der Untersuchung der Blutgefäße ungefähr acht Jahre vorher. Und da hat man dann eben noch Zeit, entsprechend gegenzusteuern. Kommt es aber erst gar nicht zum Arztbesuch, fällt das weg”, so der Professor für Männergesundheit.

Werde die Grunderkrankung nicht behandelt, verschlimmere sich die Erektionsschwäche immer weiter. “Da können Nerven geschädigt sein, die Infrastruktur des Penis, die Blutgefäße, die zum Penis führen”, so Sommer. Werde die Ursache nicht gefunden, “verschlimmert sich das Leiden immer weiter. Und man braucht deshalb eine immer höhere Dosis, um doch noch eine Erektion zu erreichen. Bis irgendwann auch die höchste nicht mehr reicht. Wenn man aber dann erst zum Arzt geht, ist es für eine Heilung oft zu spät.”

Wechselwirkung mit anderen Medikamenten

Ohne kompetente Beratung wissen Patienten möglicherweise auch nicht, welche Medikamente mit Sildenafil nicht verträglich sind. “Es gibt Herzmedikamente, die Nitrate haben.” In Kombination hat dies einen verstärkten blutdrucksenkenden Effekt, was schlimmstenfalls zum Schock und sogar Tod führen kann.

“Falls den Patienten etwa Probleme mit dem Herzen bekannt sind oder die Vermutung besteht, sollte das im Gespräch mit dem Apotheker offen kommuniziert werden”, so die Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Dr. Ursula Sellerberg.

Sildenafil “ein Geschenk des Himmels”

Insgesamt sei die Entdeckung von Sildenafil als Potenzmittel durch den US-Konzern Pfizer “ein Geschenk des Himmels” gewesen, so der Mediziner Sommer.

Noch in den 1980er Jahren herrschte die Ansicht vor, dass 90 Prozent der Erektionsstörungen psychisch bedingt seien. “Heute ist Stand der Wissenschaft, dass es genau umgekehrt ist: 80 bis 90 Prozent haben körperliche Ursachen, und dann kommt die Versagensangst vielleicht noch oben drauf.”

Durch die umfangreiche Berichterstattung über die blaue Wunderpille sei das Thema Erektionsschwäche aus der Tabuzone herausgekommen. Außerdem gebe es seitdem eine ganze Serie von wissenschaftlichen Untersuchungen zu Potenzproblemen.

“Da hat sich dann eben erst gezeigt, dass der Zustand der Penisgefäße einen Herzinfarkt voraussagen kann. Auch Zuckererkrankungen werden seitdem viel früher diagnostiziert.”

Soziale Marktwirtschaft war gestern | DW | 26.01.2022

Wie sieht die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung aus? Der grüne Wirtschaftsminister kündigt einen Richtungswechsel an. Wachstum und Wohlstand sollen mit Blick auf die Umweltkosten neu definiert werden.

Im Bundeswirtschaftsministerium beginnt das Jahr mit dem Jahreswirtschaftsbericht. Das war schon immer so. Die Regierung erklärt, welche Wirtschafts- und Finanzpolitik zu erwarten ist und wie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland beurteilt wird. Bislang waren diese Berichte vor allem darauf ausgerichtet, wie stark die Wirtschaft wächst, wie viel Arbeit es gibt und welche Hindernisse einem noch stärkeren Wachstum im Wege stehen könnten.

Doch damit soll nun Schluss sein. Natürlich nicht ganz, denn eine Wirtschaft muss sich ständig weiterentwickeln. Doch es soll kein “immer weiter so” sein, betont der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Umwelt- und Klimaschutz sollen einen zentralen Stellenwert erhalten. “Unsere Wirtschaftsordnung muss die Interessen künftiger Generationen und den Schutz globaler Umweltgüter systematischer und deutlich verlässlicher berücksichtigen”, so Habeck. “Diesem nachhaltigen Ansatz mehr Konsequenz zu verleihen erfordert, die soziale Marktwirtschaft zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln.”

Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern

Sieht Deutschland von oben bald so aus wie diese Wohnsiedlung in Freiburg? Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern

Jahrhundertaufgabe: Klimaneutral in 25 Jahren

Entsprechend lautet auch der Titel des jetzt vorgestellten Jahreswirtschaftsberichts 2022: “Für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft – Transformation innovativ gestalten.” Deutschland stehe vor einer Jahrhundertaufgabe. “In weniger als 25 Jahren wollen wir klimaneutral

Iran verurteilt Franzosen zu langer Haft | DW | 25.01.2022

Benjamin Brière hatte als Tourist im Iran Luftaufnahmen von einem Naturschutzpark gemacht. Irans Behörden sprechen von Spionage und verurteilten den Franzosen zu fast neun Jahren Gefängnis.

Die französische Regierung hat mit scharfer Kritik auf die Verurteilung von Benjamin Brière zu acht Jahren und acht Monaten Haft reagiert. Es gebe keine Fakten, die diese Freiheitsstrafe rechtfertigten, teilte das Außenministerium in Paris mit. Das Urteil sei inakzeptabel. Neben Spionage wurde dem 36-Jährigen “Propaganda” gegen die iranische Führung vorgeworfen. Sein Anwalt Philippe Valent kritisierte, Brière habe keinen fairen Prozess vor unparteiischen Richtern erhalten. Er sprach von einem politisch motivierten Urteil. Sein Mandant sei Teil einer Verhandlungsmasse, sagte Valent im Hinblick auf die derzeit in Wien laufenden Atomgespräche zwischen dem Iran und einer internationalen Staatengruppe, zu der auch Frankreich gehört.

Brière war nach Angaben seiner Familie im Frühjahr 2020 als Tourist im Iran unterwegs. Mit einer Drohne habe er Aufnahmen von einem Naturschutzpark nahe der Grenze zwischen dem Iran und Turkmenistan gemacht. Die iranischen Behörden sprachen von einer verbotenen Zone und nahmen ihn im Mai 2020 fest.

Seit Weihnachten im Hungerstreik 

Brière befindet sich im Wakilabad-Gefängnis in Maschhad im Nordosten des Irans. Seit Weihnachten ist er im Hungerstreik. Seine Familie sei sehr besorgt wegen seines geistigen und körperlichen Zustands, erklärte Anwalt Valent.

Iran | Anlage zu Uran-Anreicherung in Natans

Zentrifugen zur Urananreicherung in der Atomanlage in Natans

Die internationalen Atom-Verhandlungen in Wien treten derzeit auf der Stelle. Es geht um die Wiederbelebung des Abkommens von 2015 mit dem Iran, das die USA 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aufgekündigt hatten. Sie setzten neue Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Der internationalen Gemeinschaft geht es darum, die Führung in Teheran am Bau von Atomwaffen zu hindern. Zuletzt ließ der Iran jedoch die Anreicherung von Uran immer stärker ausbauen und verstieß damit klar gegen die Vereinbarungen im Nuklearabkommen.

se/rb (afp, rtr, dpa)

Scholz und Macron zelebrieren Einigkeit | DW | 25.01.2022

Der Bundeskanzler und der französische Präsident warnen Russland einmütig vor einem Angriff auf die Ukraine. Gleichzeitig setzen beide auf den Dialog – ein Mittel sind für sie dabei die Beratungen im Normandie-Format.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Berliner Kanzleramt sprach Bundeskanzler Olaf Scholz von einer sehr schwierigen Lage entlang der ukrainisch-russischen Grenze. Er warnte Russland erneut vor den Folgen eines Angriffs auf das Nachbarland.

“Es sind viele Truppen dort stationiert und deshalb ist es notwendig, dass jetzt alles dazu beigetragen wird, dass die Situation sich anders entwickelt, als das gegenwärtig manchmal zu befürchten ist”, sagte Scholz. “Wir erwarten auch von Russland deshalb eindeutige Schritte, die zu einer Deeskalation der Situation beitragen, und wir sind uns alle einig, dass eine militärische Aggression schwerwiegende Konsequenzen nach sich zöge.”

Macron will Freitag mit Putin sprechen

Auch Macron sagte, man bereite eine gemeinsame Reaktion für den Fall eines Angriffs vor und warnte: “Der Preis wäre sehr hoch.” Deutschland und Frankreich seien in dem Konflikt geeint und riefen beide zu einer Deeskalation der Situation auf. Macron wies zudem erneut darauf hin, dass der Dialog mit Russland nicht abgebrochen werden dürfe.

Konflikt in der Ukraine - Militär in Belarus

Ein russischer Panzer in Belarus – Russland führt aktuell zusammen mit Belarus ein Militärmanöver durch

Macron kündigte an, er werde mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Telefonat über den Ukraine-Konflikt sprechen: “Ich werde mich am Freitagmorgen mit Präsident Putin austauschen.” Mit Blick auf ein künftiges persönliches Treffen mit dem Kreml-Chef sprach sich Macron für ein gemeinsames Format zusammen mit Scholz aus.

Nächster Normandie-Gipfel in Deutschland

Frankreichs Präsident betonte vor dem Hintergrund des russischen Truppenaufmarsches die Bedeutung des sogenannten Normandie-Formats. Deutschland und Frankreich beraten in diesem Rahmen gemeinsam mit der Ukraine und Russland. Die Beratungen starten an diesem Mittwoch in Paris. Der nächste Normandie-Gipfel soll laut Macron in Deutschland abgehalten werden.

Frankreich Paris | Normandie Treffen | Putin, Macron, Merkel und Zelenskiy

Im Dezember 2019 trafen sich Wladimir Putin, Emmanuel Macron, Angela Merkel und Wladimir Zelenskiy in Paris im Normandie-Format

Das Normandie-Format war 2014 zur Befriedung des Konflikts in der Ostukraine aus der Taufe gehoben worden und führte zum Minsker Abkommen von 2015. Zuletzt spitzte sich die Lage in dem Konflikt jedoch erneut erheblich zu. Das letzte Gipfeltreffen von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine hatte 2019 im Pariser Elysée-Palast stattgefunden.

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die NATO-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen des Kremls nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.

Deutsch-französischer Schulterschluss

Scholz und Macron betonten trotz inhaltlicher Differenzen beider Länder in einigen Themen ihren Willen zu einer engen Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen. Zwar sei der Amtsantritt von Scholz in eine schwierige Zeit mit der Corona-Krise und geopolitischen Herausforderungen wie der Russland-Ukraine-Spannung gefallen, sagte Macron. “Aber das macht eine große und enge Abstimmung notwendig.”

Beide seien sich der Tatsache bewusst, dass man gemeinsame Lösungen entwickeln müsse. “Deutschland ist nicht Frankreich und Frankreich ist nicht Deutschland – aber wir nähern uns unglaublich an”, sagte Macron. Er räumte ein, dass es etwa in der Frage der Nutzung der Atomenergie und deren Einstufung als nachhaltige Energie in der EU oder den Rüstungsexporten unterschiedliche Positionen beider Regierungen gebe.

Berlin Treffen Kanzler Scholz und Macron

Freundschaftlicher Empfang im Bundeskanzleramt

Es sei eine gemeinsame “Führungsaufgabe”, die Freundschaft trotz einiger inhaltlicher Differenzen weiter zu entwickeln, sagte Scholz. Beide betonten, dass sie sich seit langem kennen. “Insofern sind das gute Vorzeichen für die Zusammenarbeit, die wir uns für Zukunft vorgenommen haben. Und es wird gelingen”, sagte der Kanzler.

Scholz hatte am 10. Dezember seinen Antrittsbesuch in Paris gemacht. Das Treffen im Kanzleramt ist das zweite bilaterale Treffen. Unter anderem soll es bei dem Gespräch nach der gemeinsamen Pressekonferenz um die Abstimmung der derzeitigen französischen EU-Ratspräsidentschaft und der deutschen G7-Präsidentschaft gehen.

nob/qu (afp, rtr, dpa)