Pandemie-Ende nach Omikron-Welle? | DW | 23.01.2022

Hoffnungsvolle Signale aus der Weltgesundheitsorganisation: Ein baldiges Ende der langen Corona-Pandemie in Europa wird dort für “plausibel” gehalten.

Zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie wird während der aktuellen Omikron-Welle vermehrt die Hoffnung laut, dass sich Corona von einer Pandemie zu einer endemischen Infektion entwickelt, die also wie etwa die Grippe dauerhaft und gehäuft in einer begrenzten Region oder in Teilen der Bevölkerung auftritt.

“Es ist plausibel”, dass sich Europa “auf eine Endphase der Pandemie zubewegt”, erklärte auch Hans Kluge, der für Europa zuständige Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Wenn die derzeitige Omikron-Welle in Europa abgeebbt sei, werde es “für einige Wochen und Monate” eine Immunität gegen das Coronavirus geben, “entweder dank der Impfung oder weil die Menschen wegen einer Infektion Immunität haben”. Hinzu kämen jahreszeitliche Effekte, fügte Kluge mit Blick auf den bevorstehenden Frühling und Sommer hinzu.

“Zeit der Ruhe”

“Also stellen wir uns darauf ein, dass es eine Zeit der Ruhe geben wird, bevor COVID-19 zurückkommen könnte gegen Ende des Jahres.” Aber die Pandemie “kommt nicht unbedingt zurück”, fasste der aus Belgien stammende Mediziner Kluge seine Erwartungen zusammen.

Corona: WHO-Regionaldirektor Hans Henri P. Kluge

WHO-Europa-Chef Hans Kluge

Nach Einschätzung der WHO könnten sich bis März 60 Prozent aller Menschen in Europa mit der Omikron-Variante infiziert haben. Diese ist hochansteckend, löst aber laut bisherigen Erkenntnissen in der Regel Erkrankungen mit einem milderen Verlauf aus als frühere Varianten des Coronavirus.

Auch in Deutschland dominiert Omikron derzeit das Infektionsgeschehen. Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner stieg zuletzt über die Marke von 800 – bei einer relativ niedrigen Hospitalisierungsrate.

Wegen möglicher neuer Mutationen mahnte Kluge aber weiterhin auch ausdrücklich zur Vorsicht: Das Coronavirus SARS-CoV-2 “hat uns mehr als einmal überrascht, also müssen wir sehr vorsichtig sein”.

wa/ack (afp, rtr)

Armeniens Präsident Sarkissjan gibt auf | DW | 23.01.2022

Seine Rücktrittserklärung kam überraschend: Armen Sarkissjan möchte nicht länger an der Spitze Armeniens stehen. Zur Begründung verwies er auf seine beschränkten Machtbefugnisse.

Als Präsident verfüge er “nicht über die notwendigen Instrumente, um in für das Volk und das Land schwierigen Zeiten Einfluss auf wichtige außen- und innenpolitische Prozesse zu nehmen”, erklärte Armeniens Staatschef Armen Sarkissjan in Eriwan. “Ich habe lange nachgedacht und entschieden, nach vier Jahren aktiver Arbeit als Präsident zurückzutreten.”

“Das ist absolut keine emotionale Entscheidung, sondern entspricht einer gewissen Logik”, führte der 68-Jährige aus. Armenien brauche mehr denn je “sinnvolle, durchdachte und ausgewogene Maßnahmen”. Sarkissjan warb dabei für eine Verfassungsreform, so dass der nächste Präsident der Ex-Sowjetrepublik in einem “ausgewogenen Umfeld” arbeiten könne.

Schmähliche Niederlage für Armenier

Wegen des gewaltsamen Konflikts mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach steckt Armenien seit längerem politisch in der Krise. Die beiden Länder streiten seit Jahrzehnten um die Kontrolle über das Gebiet. Im Herbst 2020 hatten sie sich wochenlang heftige Kämpfe geliefert, Tausende Menschen starben.

Gemäß einer Waffenstillstandsvereinbarung musste Armenien große Gebiete an Aserbaidschan abtreten – was für viele Armenier eine nationale Demütigung darstellt. Seit November 2020 kam es zudem immer wieder zu vereinzelten Gefechten mit Toten und Verletzten.

Soldaten-Friedhof in Armenien

Gräber armenischer Soldaten, die im Konflikt um Berg-Karabach getötet wurden

Im Umgang mit der Krise gab es heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen Sarkissjan und Regierungschef Nikol Paschinjan, etwa in der Frage, ob der Generalstabschef der Armee infolge des Konflikts entlassen werden sollte. Sarkissjan hatte sich geweigert, eine entsprechende Anordnung von Paschinjan mit seiner Unterschrift in Kraft zu setzen.

Der ehemalige Physik-Professor Sarkissjan war in seiner politischen Laufbahn von 1996 bis 1997 auch schon Regierungschef von Armenien. im April 2018 wurde er Präsident. Kürzlich hatte sein Büro im Zuge einer Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate mitgeteilt, Sarkissjan nehme eine Auszeit für medizinische Untersuchungen. Details wurden nicht genannt.

wa/ack (afp, dpa, rtr)

Brasiliens verschleppte Impfkampagne | DW | 23.01.2022

Ein Jahr nach Impfstart sind zwei Drittel der Brasilianer geimpft. So viele hätten es schon im Juli sein können, sagt eine Insiderin. Gescheitert sei das vor allem am Unwillen der Regierung, genügend Impfstoff zu kaufen.

“Die Infrastruktur des brasilianischen Gesundheitssystems hat genug Kapazitäten, um pro Tag drei Millionen Menschen zu impfen”, sagt Carla Domingues. “Mit genug Impfstoff hätten schon im vergangenen Juli so viele Menschen gegen COVID-19 geimpft sein können, wie es heute sind.”

Domingues weiß, wovon sie spricht: Mehr als acht Jahre lang, von 2011 bis 2019, war die promovierte Tropenmedizinerin Koordinatorin des nationalen Impfprogramms “Programa Nacional de Imunizações” (PNI). In ihre Amtszeit fällt zum Beispiel die nationale Impfkampagne gegen Gelbfieber nach einem Ausbruch der Tropenkrankheit im Jahr 2017.

Durchwachsene Impfkampagne

Seit einem Jahr läuft nun die Impfkampagne gegen COVID-19 in Brasilien. Allerdings sperrte sich die Regierung von Jair Bolsonaro von Anfang an gegen eine konsequente Durchimpfung der Bevölkerung. Vorwürfe, nach denen die Regierung Anfang 2021 Angebote der Hersteller für Lieferungen mehrerer Millionen Impfdosen abgelehnt hat, sind durch eine parlamentarische Kommission untersucht und bestätigt worden.

Coronavirus - Brasilien: Gouverneur João Doria beim Impfauftakt in São Paulo vor einem Jahr

Der Bundesstaat São Paulo hat mit 79 Prozent die höchste Impfquote des Landes, Gouverneur João Doria (l.) hat die Impfkampagne vorangetrieben

Knapp sieben Monaten nach dem Auftakt waren erst 20 Prozent der brasilianischen Bevölkerung gegen COVID-19 geimpft. Erst im August nahm die Impfkampagne deutlicher an Fahrt auf. Heute sind etwa 70 Prozent der Brasilianer geimpft – ein größerer Anteil als in den USA, obwohl das südamerikanische Land einen Monat später mit dem Impfen begonnen hat. Bis heute wird die Impfkapazität des brasilianischen Gesundheitssystems nicht voll ausgeschöpft und inzwischen flacht die Kurve der Impfungen wieder ab, weil die Impfstoffe erneut knapp werden.

Impfskepsis nicht verbreitet

Anders als in vielen Ländern in Europa und Nordamerika scheitere eine schnellere Durchimpfung der Bevölkerung in Brasilien nicht am Widerstand der Bevölkerung, meint Impfexpertin Domingues. Die Infektiologin Flavia Bravo von der Technischen Kommission der “Nationalen Gesellschaft für Immunisierung” (SBIm) sieht das ähnlich: “In Brasilien machen die Impfgegner viel Lärm, aber es sind nicht viele und es sind immer dieselben.”

Einer von ihnen ist immerhin Präsident des Landes: Jair Bolsonaro bezeichnet die Impfkampagnen als von Partikularinteressen geleitet und behauptet, selbst nicht geimpft zu sein. Allerdings ist dies in Brasilien eher eine Nischenansicht. Denn laut Daten der Weltbank ist die Zustimmung zur COVID-19-Impfung in Brasilien die größte in Lateinamerika. Im regionalen Durchschnitt lehnen sie rund acht Prozent der Bevölkerung ab, in Brasilien sind es nur drei Prozent.

Großes Vertrauen in Impfstoffe

Wesentlich dazu beigetragen habe die “vortreffliche Arbeit”, die das PNI seit fast einem halben Jahrhundert leiste, meint SBIm-Ärztin Bravo: “Das Programm hat Vertrauen in der Bevölkerung geschaffen. Impfungen sind für Brasilianer Teil ihres

Studie: Corona kostete 350 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung | DW | 23.01.2022

Lockdown-Maßnahmen, Lieferketten-Probleme – und dazu vorsichtig gewordene Kunden: All dies und noch viel mehr haben laut Institut der Deutschen Wirtschaft den immensen Konjunktureinbruch beschert.

Die Folgen der Corona-Pandemie haben die deutsche Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren einer Studie zufolge 350 Milliarden Euro an Wertschöpfung gekostet. Die Summe sei dabei größtenteils auf den gesunkenen Konsum zurückzuführen, rechnete das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zum Jahrestag des Ausbruchs der Pandemie in Deutschland vor. Dazu kämen außerdem reduzierte Investitionen von Unternehmen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres entstünden möglicherweise weitere Ausfälle in Höhe von 50 Milliarden Euro, erklärte das Institut weiter. “Die Erholung wird Jahre dauern”, erwarten die Wirtschaftswissenschaftler.

Dieses Bild sieht man in Deutschland seit der Corona-Pandemie nicht mehr so häufig wie in früheren Jahren

Dieses Bild sieht man in Deutschland seit der Corona-Pandemie nicht mehr so häufig wie in früheren Jahren

Zu Beginn der Pandemie führten die Lockdown-Maßnahmen zu Problemen bei Produktionsprozessen und störten Lieferungen im In- und Ausland, erläuterte das IW. Hinzu kamen Kosten durch eingeschränkte Konsummöglichkeiten und vorsichtige Kunden. Die Geschäfte mit dem Ausland gingen stark zurück. Im zweiten Quartal 2020 sackte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) so im Vorjahresvergleich um elf Prozent ab.

Im weiteren Verlauf der Pandemie sorgten zwischenzeitlich gesunkene Infektionszahlen immer wieder für Hoffnung auf eine dauerhafte Erholung – diese wurde jedoch durch erneute Infektionswellen getrübt. Im zweiten Corona-Jahr waren laut Studie Probleme bei Lieferketten entscheidend: Fehlende Bauteile machten besonders der Automobilindustrie zu schaffen. Die Staatsausgaben in der Pandemie und die Exporte hätten die deutsche Wirtschaft im zweiten Jahr zumindest teilweise aufgefangen, erklärte das IW. Doch voraussichtlich werde es auch in den kommenden Monaten zu Einbußen kommen.

Mit Omikron-Variante wieder aufwärts?

“Die neue Omikron-Variante gibt allerdings auch Grund zur Hoffnung”, erklärte IW-Ökonom Michael Grömling: “Sollten wir in diesem Jahr in die endemische Phase eintreten, dürfte es wieder bergauf gehen.” In den nächsten Jahren brauche es dann ein kräftiges Wachstum, um die Einbußen wieder wettzumachen.

Für die Studie stellten die Forscher die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung in den vergangenen zwei Jahren einem “kontrafaktischen” Konjunkturverlauf gegenüber. Dabei wird laut IW ein ökonomisches Umfeld unterstellt, in dem es die Corona-Pandemie einfach nicht gibt. Das vierte Quartal 2021 wurde auf Basis des schon vorliegenden Jahreswerts für das Gesamtjahr 2021 geschätzt. “Eine solche Kalkulation bietet zumindest eine grobe Orientierung für die bislang aufgelaufenen Wirtschaftsverluste infolge der Pandemie.”

sti/fab (afp, dpa, rtr)

Zehn Jahre Schlecker-Pleite: Ende mit Schrecken | DW | 22.01.2022

Es war einst die größte Drogeriemarktkette Europas. Jahrelang ging die Expansion von Schlecker gut. Doch dann verpasste das Unternehmen den Anschluss an den Markt und ging 2012 Pleite.

Der Name Schlecker war einst ein Begriff. In nahezu jeder Kommune in Deutschland hing zeitweise mindestens einmal der Laden-Schriftzug mit dem Logo, weiße Schrift auf blauen Grund. Das Gesicht dazu kannten aber nur die wenigsten Menschen. Das änderte sich schlagartig, als das Imperium des Drogeriekönigs und Selfmademan Anton Schlecker aus Ehingen bei Ulm Insolvenz anmelden musste.

Vor zehn Jahren, am 23. Januar 2012, war es soweit. Angekündigt hatte der Drogeriekonzern den Schritt schon drei Tage früher. Rund 25.000 Beschäftigte in Deutschland, vor allem Frauen, verloren ihren Job. “Es gab vermutlich in Deutschland bislang kaum ein vergleichbares Insolvenzverfahren hinsichtlich des öffentlichen und medialen Interesses”, heißt es im Büro von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.

Stetiger Abstieg

Der Niedergang des Schlecker-Imperiums zeichnete sich schon über ein halbes Jahr vor der Pleite ab. Im Juni 2011 kündigte das Unternehmen an, rund 10 Prozent der über 8000 Filialen in Deutschland zu schließen. Grund sei deren unzureichende Wirtschaftlichkeit.

Die Probleme waren hausgemacht. Schlecker habe versucht, mit immer mehr Läden noch größer zu werden, mehr Einkaufsvorteile zu erzielen, um noch günstigere Preise erzielen zu können, sagt der Sprecher des Insolvenzverwalters.

Schlecker Logo Schriftzug

Einen Schlecker-Laden gab es zeitweise in jeder deutschen Stadt und auch in vielen Dörfern

“Die Kunden blieben jedoch aus, weil die Läden zu klein, zu alt und unattraktiv waren.” Der Umbau von der einstmals größten Drogeriekette Europas konnte nicht rasch genug umgesetzt werden, weil das Geld dazu fehlte. “Und dann fiel das auf Expansion gebaute Kartenhaus in sich zusammen.”

Das Geld war – angeblich – weg

Legendär sind die Worte von Schleckers Tochter Meike wenige Tage nach der Insolvenzanmeldung auf einer Pressekonferenz zusammen mit Insolvenzverwalter Geiwitz. Sie wird gefragt, warum der Vater denn nicht mit Geld aus seinem Privatvermögen das Unternehmen gestützt habe. Meike Schlecker rückte auf ihrem Stuhl nach vorn und antwortete: “Ich glaube, Sie haben das nicht verstanden. Es ist nichts mehr da.”

Als sogenannter Einzelkaufmann haftete Schlecker mit allem, was er besaß. Etwa 28.000 Gläubiger haben Forderungen von etwas über 1,2 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle angemeldet.

Der Fall Schlecker wird auch zum Politikum. Im März 2012 scheitert der Versuch von Geiwitz, eine Transfergesellschaft für knapp 10.000 vor der Kündigung stehende Beschäftigte auf die Beine zu stellen. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt einen Kredit durch die Staatsbank KfW ab und verweist auf die Zuständigkeit der Länder. Die FDP-Wirtschaftsminister in Bayern, Niedersachsen und Sachsen verhindern die Bildung der Gesellschaft. Und Rösler sorgt für zusätzliche Empörung, weil er den von Entlassung betroffenen Frauen der Drogeriekette empfohlen hatte, selbst eine neue Arbeit zu finden und dies als “Anschlussverwendung” bezeichnet.

Der Chef, der große Unbekannte

Auch zehn Jahre nach der Insolvenz ist Christel Hoffmann, die ehemalige Betriebsratschefin des Konzerns, noch empört. “Bei Schlecker hatte die Politik die Türen zugeschlagen. “Die dort beschäftigten Frauen waren der Politik nicht wichtig”, sagt die heute 68-Jährige. Auch die heutige SPD-Bundestagsabgeordnete und damalige Verdi-Chefin von Baden-Württemberg, Leni Breymaier, meint rückblickend, Schlecker habe einfach ein zu schlechtes Image gehabt. Deshalb habe es kein Engagement der Politik gegeben.

Die frühere Betriebsratschefin arbeitete knapp 20 Jahre bei dem Drogerieunternehmen. Das große Manko der Familie Schlecker war aus Sicht von Hoffmann, dass diese beratungsresistent gewesen sei. In Ihrer Betriebsratszeit habe sie Anton Schlecker nie zu Gesicht bekommen, sagt Hoffmann.

Einer breiteren Öffentlichkeit musste sich der Metzgermeister, der seinen ersten Drogeriemarkt nach dem Wegfall der Preisbindung für Markenartikel in den 1970er-Jahren eröffnet hatte,während des Prozesses vor dem Landgericht Stuttgart stellen.

Eine ganz unsaubere Pleite

2017 wurde Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Im Wissen um die bevorstehende Insolvenz habe er Geld zur Seite geschafft. Ihm blieb das Gefängnis erspart. Seinen Kindern aber nicht. Meike und Lars Schlecker mussten ins Gefängnis. Sie waren in letzter Instanz zu Haftstrafen von jeweils zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden. Über zehn Millionen Euro hatten die Schleckers in der Vergangenheit an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt.

Deutschland | Meike, Anton und Lars Schlecker

Die Schleckers (Tochter Meike, Vater Anton und Sohn Lars) bei einem Spaziergang – vier Jahre vor dem Bankrott

Im Handel sind die Marktanteile von Schlecker dagegen längst neu verteilt. “Die Pleite von Schlecker hat erst einmal ein Riesenloch gerissen. Vor allem dm und Rossmann haben danach massiv um die Schlecker-Kunden gekämpft und sich regelrechte Preisschlachten geliefert. Das hat sich für beide ausgezahlt: Am Ende haben sie sich das größte Stück vom Kuchen gesichert”, sagt Handelsexperte Thomas Montiel-Castro vom Marktforschungsunternehmen NielsenIQ.

Viele verpasste Chancen

“Der Platzhirsch dm konnte seinen Marktanteil danach von 28,5 Prozent auf über 40 Prozent steigern, Rossmann von 22,5 Prozent auf 33,5 Prozent”, berichtet Mirko Warschun von der Unternehmensberatung Kearney. Andere Drogeriemarktketten hätten dagegen nur wenig profitiert.

Deutschland Kundin mit Klopapierrollen | Hamburg (Archiv)

Der Markt für Drogerieartikel ist neu aufgeteilt

Und auch die großen

Berlusconi macht einen Rückzieher | DW | 22.01.2022

Italiens Ex-Regierungschef und skandalumwitterter Medienunternehmer hat seinen letzten großen Politik-Traum aufgegeben: Silvio Berlusconi ist aus dem Rennen um das Amt des Staatspräsidenten ausgestiegen.

“Ich habe entschieden, einen anderen Pfad einzuschlagen auf dem Weg der nationalen Verantwortung und bitte darum, darauf zu verzichten, meinen Namen als Präsident der Republik vorzuschlagen”, teilte Silvio Berlusconi auf einem virtuellen Spitzentreffen der italienischen Mitte-Rechts-Parteien am Samstagabend mit. “Ich werde meinem Land auf andere Art dienen”, fügte der Milliardär hinzu.

Rückzug wegen Chancenlosigkeit?

Für Berlusconi, der viermal Ministerpräsident war, daneben aber durch Skandale auffiel und im Zusammenhang mit “Bunga-Bunga-Partys” immer noch vor Gericht steht, wäre eine Wahl zum Staatschef eine späte Genugtuung gewesen. Er hatte wochenlang Wahlkampf betrieben, um Amtsinhaber Sergio Mattarella abzulösen. Unterstützt wurde Berlusconi von den Chefs der rechtsgerichteten Parteien Lega (Matteo Salvini) und Fratelli d’Italia (Giorgia Meloni). Politische Beobachter räumten dem 85-Jährigen jedoch kaum Chancen ein. Nun wollen Berlusconis “Forza Italia” sowie Lega und Fratelli d’Italia noch kurzfristig einen anderen Kandidaten suchen und präsentieren.

Italien | Silvio Berlusconi | Kampagne zur Präsidentschaftswahl | Protest

Diese Demonstranten hielten Berlusconi offensichtlich als völlig ungeeignet für das Präsidentenamt

Der künftige italienische Präsident wird ab Montag von einem Gremium aus mehr als tausend Abgeordneten, Senatoren und Vertretern der Regionen gewählt. In den ersten drei Wahlgängen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Sieg erforderlich, ab dem vierten Wahlgang reicht die absolute Mehrheit. Die Abstimmung wird voraussichtlich mehrere Tage in Anspruch nehmen. Auch wenn es sich um einen eher repräsentativen Posten handelt, kommt Italiens Staatschef in Krisenfällen eine zentrale Rolle zu.

Wechselt Draghi den Posten?

Zuletzt galt Ministerpräsident Mario Draghi als ein Favorit für die Mattarella-Nachfolge. Berlusconi und andere Parteivorsitzende drängen aber darauf, dass Draghi Regierungschef bleibt, um seine Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 fortzusetzen. Bei einem Wechsel des ehemalige EZB-Chefs ins Präsidentenamt könnte es – inmitten der Corona-Pandemie – zu Neuwahlen des Parlaments kommen.

wa/ack (afp, dpa, rtr)

Marinechef stürzt über Ukraine-Statement | DW | 22.01.2022

Der Inspekteur der Deutschen Marine sorgt mit Äußerungen zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine für großen Wirbel. Daraufhin wird Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach “auf eigene Bitte” abgelöst. 

“Ich habe die Frau Bundesministerin der Verteidigung gebeten, mich von meinen Aufgaben und Pflichten als Inspekteur der Marine mit sofortiger Wirkung zu entbinden”, erklärte Kay-Achim Schönbach in einer Mitteilung. “Meine in Indien gemachten unbedachten Äußerungen zu Sicherheits- und Militärpolitik lasten zunehmend auf meinem Amt”, begründete der Vizeadmiral seinen Rücktritt. “Um weiteren Schaden von der Deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, halte ich diesen Schritt für geboten.”

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) habe den Rücktritt des 56-Jährigen angenommen, teilte ein Ministeriumssprecher am Samstagabend mit. Bis zu einer Entscheidung über die Nachfolge soll die Deutsche Marine von Schönbachs bisherigen Stellvertreter, Konteradmiral Jan Christian Kaack, geführt werden.

“Die Krim ist weg”

Schönbach hatte in einer Gesprächsrunde eines Think Tanks in Indien gesagt, die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim sei für die Ukraine verloren. Sie “ist weg, sie wird nicht zurückkommen, das ist eine Tatsache”. Eine Videoaufnahme davon war im Internet verbreitet worden. Auch Befürchtungen, der Kreml plane derzeit einen Einmarsch in das Nachbarland, wies Schönbach zurück. Dass sich Russland ukrainisches Territorium aneignen wolle, sei “Nonsens”.

Zugleich zeigte der bisherige Marinechef Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin. “Was er wirklich will, ist Respekt auf Augenhöhe. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet fast nichts, kostet nichts. Also würde man mich fragen: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert – und den er vermutlich auch verdient.”

Deutschland Christine Lambrecht Kay-Achim Schönbach

Ministerin Lambrecht wird bei ihrem Antrittsbesuch bei der Marine von Schönbach begrüßt (Dezember 2021)

Das Verteidigungsministerium in Berlin distanzierte sich von Schönbachs Aussagen. Sie “entsprechen in Inhalt und Wortwahl in keiner Weise der Position des Bundesverteidigungsministeriums”. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), betonte: “Vizeadmiral Schönbach hat mit seinen Äußerungen die europäische Sicherheitsstruktur und das Völkerrecht in Frage gestellt. Sein Rücktritt ist folgerichtig.”

“Tiefe Enttäuschung”

Das ukrainische Außenministerium hatte wegen der Angelegenheit die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, einbestellt. Schönbachs Aussagen seien “unannehmbar” gewesen. Zuvor hatte Außenminister Dmytro Kuleba bereits Unmut darüber geäußert, dass die Bundesregierung der Ukraine keine Waffen liefern will. “Wir drücken unsere tiefe Enttäuschung anlässlich der Position der Regierung Deutschlands über die Nichtgewährung von Verteidigungswaffen an die Ukraine aus.”

Russland hat in den vergangenen Wochen mehr als 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Die Regierung in Moskau dementiert jegliche Invasionspläne. Sie fordert ihrerseits Sicherheitsgarantien der NATO sowie eine Absage an eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis. Der Westen hat dies seinerseits zurückgewiesen und erklärt, ein Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine würde schwerwiegende politische und wirtschaftliche Folgen haben.

wa/uh/ack (dpa, afp, rtr)

Friedrich Merz neuer Chef der CDU | DW | 22.01.2022

Merz bekommt die Macht: Im dritten Anlauf wurde der 66-jährige CDU-Politiker zum Parteichef gewählt. Merz will die verunsicherte und streitende Partei einen und den Frauenanteil im Vorstand erhöhen.

Nun also Friedrich Merz. Ein digitaler CDU-Bundesparteitag hat den 66-Jährigen erwartungsgemäß zum neuen Parteichef gewählt. Er erhielt 915 von 967 gültig abgegebenen Stimmen, das sind 94,62 Prozent. Als er die Wahl annahm, kämpfte Merz sichtlich mit den Tränen.  

Vor Weihnachten hatte er sich in einer Befragung der gut 380.000 Parteimitglieder, der ersten dieser Art bei den Christdemokraten, gegen die Mitbewerber Norbert Röttgen und Helge Braun durchgesetzt. Damit ist Merz bereits der dritte CDU-Chef nach dem Rückzug der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel von diesem Amt im Dezember 2018.

Helge Braun, Friedrich Merz und Norbert Röttgen am 17. Dezember 2021

Applaus für den Sieger – Helge Braun, Friedrich Merz und Norbert Röttgen am 17. Dezember 2021

Merz nannte den Parteitag mit der personellen Neuaufstellung ein “kraftvolles Signal des Aufbruchs und der Erneuerung”. Die CDU wolle zunächst Landtagswahlen gewinnen und politische Chancen nutzen. Er kündigte an, die Arbeiten für ein neues Grundsatzprogramm, das insgesamt vierte in der Geschichte der Partei, vorantreiben zu wollen.

Deutliche Kritik äußerte der neue Parteichef in seiner 20-minütigen Bewerbungsrede an Bundeskanzler Olaf Scholz. Er lasse politische Führung vermissen und engagiere sich in der Ukraine-Krise viel zu wenig. 

“Ich weiß, was ich als zehnter Parteivorsitzender dieser Partei seit 1948 auch an Aufgaben vor mir habe. Und davor habe ich großen Respekt”, sagte Merz im Vorfeld des Parteitages. Als er 2018 erstmals nach dem Amt strebte, führte die Union noch die Bundesregierung an, und die CDU stellte die Regierungschefin. Nun bleiben ihr die Oppositionsbänke im Bundestag, gleich neben der rechtspopulistischen AfD. 

Erste Kandidatur vor fünf Jahren

Merz kündigte an, er werde “selbstverständlich auch für die Partei in der ganzen Breite stehen und alle Themen mit behandeln, die unsere Partei als wichtig empfindet”. Er hoffe, dass es ihm gelinge, “auch alle anderen in die Führung der Partei so zu integrieren, dass daraus wieder ein Bild eines Ganzen wird”, in dem unterschiedliche politische Ideen, Meinungen und Strömungen ihren Platz finden sollten.

Nun bekommt Merz die Macht, die er seit langem wollte. Der Wirtschaftsjurist, geboren 1955, stammt aus einer ländlich geprägten Gegend des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Mit seiner Ehefrau Charlotte, Direktorin eines Amtsgerichts, ist er seit 1981 verheiratet. Sie haben drei erwachsene Kinder.

Merz zog 1994 erstmals für die CDU in den Bundestag ein. Schon damals standen Angela Merkel und er für unterschiedliche Lager innerhalb der CDU. Nur im alphabetischen Verzeichnis der Abgeordneten standen die beiden einander wirklich nahe.

Konservativer will Partei modernisieren

Merz war deutlich traditionell-konservativer. Im Kampf um den Vorsitz der Bundestagsfraktion 2002 musste sich Merz dann der aufstrebenden Merkel unterordnen – und schied schließlich 2004 schmollend aus der Parteiführung und 2009 aus dem Bundestag aus.

Friedrich Merz und Angela Merkel 2000

Friedrich Merz und Angela Merkel, hier im April 2000 im Fraktionssaal der Union im Reichstag

In den folgenden Jahren machte er Karriere in der Wirtschaft. 2016 wurde er Chef der deutschen Niederlassung des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Als Merkel 2018 ihren Rückzug vom Parteivorsitz ankündigte, warf Merz seinen Hut in den Ring. Doch Ende 2018 musste er Annegret Kramp-Karrenbauer den Vortritt lassen, im Frühjahr 2021 dann Armin Laschet. Beide standen parteiintern für den Kurs von Kanzlerin Merkel.

Norbert Röttgen und Friedrich Merz mit dem späteren CDU-Chef Armin Laschet

Vor einem Jahr noch unterlegen – Norbert Röttgen und Friedrich Merz mit dem späteren CDU-Chef Armin Laschet

Merz blieb dagegen stets distanziert und kritisch. Das Erscheinungsbild der Regierung unter Merkel bezeichnete er einmal als “grottenschlecht”. Nach dem für viele in der Partei ernüchternd schlechten Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl 2021 versucht der Sauerländer nun, die Partei zu einen und das ein oder andere Zeichen der Modernisierung zu setzen.

Neue Köpfe im Bundesvorstand

So schlug er den ehemaligen Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja, 46, als künftigen CDU-Generalsekretär vor und die 34-jährige Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp aus Baden-Württemberg als stellvertretende Generalsekretärin – ein Posten, der aber erst noch von einem Präsenz-Parteitag geschaffen werden muss. Und unter den nun allesamt neu gewählten Mitgliedern des CDU-Bundesvorstands finden sich deutlich mehr Frauen als bislang.

Christina Stumpp von der CDU

Hoffnungsträgerin im Team Merz – Christina Stumpp

Merz formulierte in den vergangenen Wochen mehrfach die deutliche Absage an jede Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD. Und kurz nach seiner Basis-Kür zum CDU-Chef sprach er sich dafür aus, dass homosexuelle Paare die Möglichkeit zur Adoption erhalten sollten. Das steht früheren Positionen des konservativen Politikers deutlich entgegen. Er verändert sich.

Merz, der während seiner ersten Jahre als Abgeordneter als einer der besten Redner im Parlament galt, ist ein überzeugter Europäer. Bevor er in den Bundestag einzog, war er ab 1989 fünf Jahre lang Abgeordneter im Europäischen Parlament.

Transatlantiker mit “Bierdeckel”-Idee

Und Merz hat starke transatlantische Verbindungen. Niemand aus der CDU-Führung war in den letzten zehn Jahren häufiger in den USA als Merz. Der Wirtschaftsliberalismus des Landes beeindruckt und prägt ihn zugleich. “Wir würden uns gut verstehen”, sagte Merz 2020 über den damaligen Präsidenten Donald Trump.

Vielen Älteren in Deutschland ist Merz noch mit seiner “Bierdeckel”-Idee im Gedächtnis. 2003 schlug er vor, die Steuererklärung müsse “auf einem Bierdeckel” Platz haben, statt seitenweise Formulare ausfüllen zu müssen. Wie das in der Praxis umgesetzt werden soll, konnte er allerdings nicht beantworten.

Die erste Bewährungsprobe folgt für Merz Ende März. Dann stehen im Saarland Landtagswahlen an. Und derzeit ist unsicher, ob die CDU in dem kleinen Bundesland im Südwesten der Republik ihre Spitzenposition verteidigen kann.

Lage auf Tonga weiter extrem angespannt | DW | 22.01.2022

Nur langsam wird das Ausmaß der Schäden auf den Inseln um Tonga nach dem verheerenden Vulkanausbruch ersichtlich. Hilfslieferungen laufen auf Hochtouren, doch der Ascheregen macht dabei Probleme.

Schätzungsweise 84 Prozent der rund 105.000 Bewohner auf allen Inseln seien von dem Ascheregen nach dem Vulkanausbruch und dem Tsunami betroffen, hieß es in einer veröffentlichten Mitteilung der Regierung. Die Versorgung mit Trinkwasser und